Section: Panorama USA 2024 112 Minuten
Sprache: englisch
Durch den Berliner Nieselregen geht es heute Nachmittag zum Zoo-Palast. – Es gilt, ein „Berlinale-Trauma“ zu heilen. – Hoffentlich jedenfalls. – R. hat die Bilder des fürchterlichen Films von vor einigen Jahren immer noch im Kopf und ist erstmal skeptisch, sich auf weitere Berlinale-Erfahrungen einzulassen. Erfreulicher Weise kommt er doch mit und ich bange etwas, ob es gut geht.
Wir sehen einen amerikanischen Film über einen Kantor, der Glaubenszweifel hat und seine Stimme verloren hat. Laut Filmbeschreibung handelt es sich um eine „warmherzige, neurotische Komödie von Nathan Silver (, die) die Wechselfälle des Glaubens untersucht und die Frage, was einen anständigen Menschen ausmacht.“ Das klang ganz gut. Im „New Yorker“ wurde Silver als einer der „originellsten zeitgenössischen amerikanischen Independent-Filmemacher bezeichnet“.
Der Film geht los und durch die griseligen, grobkörnigen Bilder und die Musik fühle ich mich umgehend in Filme der 70er Jahre zurückversetzt. Mhm, … und ich verstehe kein Wort. Das kann ja heiter werden, denn die ersten Gags verpasse ich schon mal, jedenfalls lachen einige im Kino herzhaft. Auch R. sitzt ohne nennenswerte Regung neben mir. Irgendwann hören wir uns ein, das nuschelige amerikanische Englisch ist nicht einfach zu verstehen.
Der Protagonist ist ein etwas übergewichtiger, unglücklicher und indifferent wirkender Kantor, der aus der Synagoge flüchtet, weil seine Stimme versagt. Er irrt durch die Straßen, will sich schließlich umbringen, aber das klappt nicht. (Witzige Szene: er legt sich auf die Straße, ein monströser Laster naht, bleibt vor ihm stehen, er winkt ihm weiter zu fahren – aber statt überfahren zu werden, wird er im LKW mitgenommen.)
Alles weitere muss man nicht im Detail erzählen. Es folgen schnelle Schnitte, Groß-Nah-Aufnahmen von Gesichtsausschnitten, die R. treffend als übergriffig benennt, eine turbulente Handlung, in der eine Frau mit einer nervigen hohen Stimme, eine Rolle spielt,… Das ist ziemlich klamottig. Es fehlen Prägnanz und Timing, die für gute Komöden wichtig sind. Karikiert werden jüdische Familien, aber da gibt es schon viele deutlich bessere Filme. Satt macht das hier nicht und so richtig Spaß auch nicht.
Und wie sieht es mit dem Berlinale-Trauma aus?
Wir finden einen guten Platz zum trinken und reden. Das macht viel mehr Spaß als der Film. Wir analysieren voller Lust, kommen von einem zum anderen Thema. Das Trauma ist nicht getilgt, aber im gemeinsamen Nachbereiten befriedet. Was für ein Vergnügen!