108 Minuten, Gianfranco Rosi
Dokumentarfilm, Wettbewerb
Lampedusa im Winter: Gianfranco Rosi filmt Ausschnitte des Alltags von Samuele, einem 10/12jährigen Fischerjungen, seiner Tante, seinem Vater dem Fischer, eines Radio-DJs, eines Arztes (Dottore Bartolo) – und die gigantische Radarstation, die Hilferufe von einem sinkenden Boot erhält, immer wieder nach deren Position fragt, aber die Hilferufenden können diese Frage nicht beantworten – Kommunikationsversuche, die sich nicht treffen: später wird klar, die meisten der 250 Menschen auf diesem Boot sind ertrunken.
Neben dem Alltag mit Banalitäten und Witzigem filmt Rosi Rettungsaktionen auf dem Meer. In einem Interview sagt er, dass sich die Grenze von der Insel Lampedusa, auf der die Flüchtlinge ankamen seit “Frontex” aufs Meer verschoben hat. Menschen in weißen Schutzanzügen, Atemmasken und Handschuhen holen Flüchtlinge von auf dem Meer treibenden Booten, Sterbende, Lebende, Frauen, Kinder, vor allem Männer, zuletzt die Toten. Er zeigt, die Helfer, die Abläufe der “Hilfslogistik”, er ist sehr nah dran, aber kommt weder einzelnen Flüchtenden noch einzelnen Helfern nah.
Der Film stellt diese Welten nebeneinander, die sich selbst auf kleinstem Raum kaum berühren. Er zeigt, was ist – ohne Kommentar.
Die “Schnittmenge” verkörpert Dottore Bartola, der Inselbewohner und Flüchtlinge versorgt, sich aber auch um die Identifizierung der toten Flüchtlinge kümmert. Er wehrt sich gegen Zynismus, geht mit den Begrenzungen seiner Möglichkeiten um, ist auf eine pragmatische Art liebevoll und zugewandt und behält seine Menschlichkeit und Bodenständigkeit, was ich unglaublich beeindruckend finde.
Der Ttiel stammt von einem alten italienischen Schlager “Fuoco a mare”.
Maren Kroymann als “Gastkritikerin” im Interview mit Knut Elstermann:
http://www.radioeins.de/themen/kunst_kultur/berlinale/berlinale16/index.html
Pressekonferenz mit Gianfranco Rosi und Dottore Bartolo:
http://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film_id=201614479#tab=video10