Die Berlinale ist vorbei, die anschließende Erkältung fast überwunden, Zeit für neue Erlebnisse in Sachen „Kultur in Berlin“.
Vor mehreren Wochen hatte T. die Karten gekauft und heute gehen wir zu dritt in die Deutsche Oper:
Romeo und Julia, Ballett von Sergej Prokofjew, Neuauflage einer Inszenierung von John Cranko anno 1958.
Intro
T. gibt ihren Mantel ab. S. und ich fahren im Fahrstuhl zu unseren Plätzen im 2. Rang. Dabei sagt er irgendwas mit „…die Oper, die wir sehen…“ – ??? Die beiden älteren Ladies, die mit uns Fahrstuhl fahren, zucken nicht, ich denke über den Unterschied zwischen Ballett und Oper nach.
Wir wollen für die Pause Häppchen und Sekt ordern, dafür müssen wir wieder in den 1. Rang, geben unsere Bestellung auf und hören dabei, dass es zwei Pausen gibt. Aha! Dann wieder in den 2. Rang. Mit T.s Hilfe überwinde ich die steilen Stufen zur 6. Reihe, wir haben Außenplätze und warten, bis alle in der Reihe sitzen, schon wird es dunkel – das ging jetzt zügig. Schnell noch das Opernglas aus der Tasche gewurschtel, ganz leise, die Ouvertüre läuft schon. Hinter uns ist man unbefangener und diskutiert kontrovers verschiedene Sitzplatzfragen.
1. Aufzug
Komisch, ist das wirklich Prokofjew? Ich erkenne nicht wieder, was ich gut zu kennen meinte und bin irritiert. Das hält eine Weile an, irgendwann lasse ich mich mit Resten von Widerstand ein und finde immer noch, das Orchester „zersägt“ die prägnante Musik Porkofjews.
Auf der Bühne wird viel gehüpft. Die Kostüme sind opulent, viel schwarz und gold; Julia im zarten, weißen Kleidchen; Romeo sieht nicht so überzeugend aus, sein Kostüm finde ich albern, wie er tanzt, gefällt mir nicht. Die Dekoration erinnert an Operettenfilme der 60ziger Jahre mit Marktkarren und anderen folkloristischen Elementen, einige Choreografien an das „Fernsehballett“. Ich denke darüber nach, dass diese Inszenierung so alt ist wie ich.
Erste Pause
Auf uns warten leckere Canapés und Sekt. Wir sprechen über unsere Eindrücke. Ich frage S., wie er ohne Text zurechtkommt – er sagt, es geht, er komt klar. T. findet, dass die letzten Opern, die sie sah, ergreifender waren. Wir lachen viel und sind uns einig, es ist interessant, etwas antiquiert, aber kurzweilig. Plötzlich klingelt es schon wieder, zügig austrinken und wieder in den 2. Rang – der Fahrstuhl bringt uns erst mal runter zur Garderobe. Jetzt aber schnell! – Das ist eine sportliche Veranstaltung!
2. Aufzug
Die Balkonszene ist eher als „Gartenszene“ angelegt, aber sehr schön. Das Bühnenbild wird schlichter und gefällt mir viel besser. Als Pater Lorenzo, der Franziskaner-Mönch, auftaucht, denke ich: Huch, der Papst! – ? Sie sind jedenfalls gleich gekleidet, das bleibt irritierend. Leider gibt es Sequenzen, bei denen wir im 2. Rang die obere Körperhälfte der TänzerInnen nicht sehen weil sie sich auf einer Brückenähnlichen Konstruktion bewegen.
2. Pause
Wasser bzw. Brause stehen zuverlässig bereit (das mit dem Vorbestellen ist super!). Wir haben wieder viel zu erzählen und amüsieren uns gut. S. überlegt, ob der Dirigent heute noch eine weitere Aufführung vorhat – alles ist so straff organisiert und es wird keine Zeit vertan.
Inzwischen kennen wir das mit dem Fahrstuhl schon und nehmen es gelassener, dass wir erst nach unten und dann nach oben fahren. Wir kommen gerade noch rechtzeitig. Die 3 Leute aus der Reihe vor uns sind nicht mehr da.
3. Aufzug
Die Inszenierung wird immer schöner, das Bühnenbild ganz schlicht, sehr beeindruckend! Es ist sogar ergreifend, obwohl alle wissen wie die Geschichte ausgeht. Die Hauptpersonen und noch einige andere sind tot, das Stück ist aus. – Das ging jetzt aber schnell.
Fin
Am Ende viel Applaus, die geworfenen Rosen landen im Orchestergraben, nur ein Plüschteddy schafft es bis auf die Bühne. Ein letztes Mal Fahrstuhl, diesmal einfache Tour abwärts.
Jetzt reicht es auch. Wir sind zufrieden, gut gelaunt und ein bisschen müde.