Zunehmende Industrialisierung, enge und schlechte Wohn- und Lebensverhältnisse, katastrophale Arbeitsbedigungen und Armut führten zu einer dramatischen Zunahme der Tubekulose-Erkrankungen in Berlin. Fast jedeR Dritte BerlinerIn verstarb damals an Tuberkulose. Neben dem, was das für die Betroffenen bedeutete, war das auch ein wirtschaftlicher und sozialpolitischer Faktor, der schließlich die Landesversicherungsanstalt Ende des 19. Jahrhunderts veranlasste, „Arbeiterheilanstalten“ vor den Toren der Stadt zu errichten. Die medizinsche Therapie beruhte zu dieser Zeit noch „nur“ auf der Verbesserung der Lebensverhältnisse im Sinne von „Licht, Luft und Sonne“, gesunder Ernährung, physikalischer Therapie, ausreichender Hygiene und später einiger chirurgischer Verfahren. Wer es sich leisten konnte, fuhr in die Schweiz. Antibiotika und Impfungen gab es erst nach dem 2. Weltkrieg.
Südwestlich von Berlin wurde ein 200 ha großes Gebiet erschlossen, das saubere Luft, Kiefernwälder und eine Bahnanbindung bot
Der erste Bauabschnitt erfolgte 1898 – 1902, 1902 wurde das Sanatorium in Betrieb genommen und in den folgenden Jahren in mehreren Abschnitten immer wieder erweitert. Es gab neben den Heilanstalts- noch Sanatoriumsgebäude mit großen, opulenten Speisesälen, (übrigens herrschte strengste Geschlechtertrennung), Dabei war es wichtig, dass es autark betrieben werden konnte, hier gab es das erste Kraft-Wärme-Kopplungswerk Deutschlands, mit dem Strom, Dampf und heißes Wasser für Heizung, Küche und Waschküche bereit gestellt wurden und über ein unterirdisches Rohrsystem in die verschiedenen Gebäude verteilt wurden. Zudem waren (und sind) die Gebäude untereinander mit Kellergängen verbunden. Eigene Küche, Technikzentrale, Gärnterei, Bäckerei, Fleischerei, Wäscherei und ein zentrales Badehaus sorgten für alles Erforderliche. Dazu kamen Wohngebäude für die Angestellten, Verwaltungsgebäude und ein Hotel, schließlich wurde im dritten Bauabschnitt 1926 – 1930 die Chirurgie im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut. Insgesamt entstanden so 60 Gebäude.
Man machte sich viel Gedanken über die verwendeten Materialien, den Stil, die Atmosphäre und Farbigkeit, die Einbindung in die Natur. Der überwiegende Pavillon-/Landhausstil, z.T. mit Fachwerkelementen, den wir heute als aufwändig und ansprechend empfinden, wirkte allerdings auf die Zeitgenossen eher schlicht. Eine strenge Nord-Süd-Ausrichtung der Bauten sorgten dafür, dass die Sonne optimal genutzt werden konnte. Die Liegehallen und Balkone (auf die Betten geschoben werden konnten) waren nach Süden ausgerichtet, sog. Funktionsräume lagen im Norden. (Quelle: Die Heilstätten der LVA Berlin bei Beelitzi/Mark, 2. Auflage Wasmuth und Zohlen Verlag, Berlin)
Viele der damaligen Überlegungen könnten heutigen Krankenhausbauten auch gut tun. Die Verbindung von Funktionalität und Ästhetik, die Schaffung einer ansprechenden, wohltuenden Umgebung für Menschen in schwierigen Zeiten haben mich schon als junge als Ärztin im Krankenhaus umgetrieben. Die Entdeckung dieses Areals und seiner Bauten hat mich einfach berührt und umgehauen.
1994 ist die Rote Armee, die hier seit 1945 das größte Militärhospital außerhalb der Sowjetunion betrieb, abgezogen. 1998 fotografierte ich zu ersten Mal ein paar Häuser von außen, war fasziniert und wollte mehr wissen. Mit jedem neuen auch innen zugänglichen Gebäude wuchs die Faszination – bis schließlich der zunehmende Vandalismus die Besuche immer trauriger werden ließ. Die Fotos hier stammen hauptsachlich aus den Jahren 2007 – 2010.
Inzwischen ist einiges passiert, es gibt eine rege Bautätigkeit auf dem Gelände, am Bahnhof ist ein Restaurant entstanden, Menschen wohnen hier, haben Ateliers und das Badehaus wird für Ausstellungen geöffnet.