Über die Jahre

Der einzige deutschsprachige Film, den ich diesmal sehe – wobei deutschsprachig relativ ist. Ich bin froh über die englischen Untertitel, den Niederösterreichischen Dialekt verstehe ich kaum.

A. und ich haben uns auf 188 Minuten eingestellt. Nikolaus Geyrhalter hat im Waldviertel (einem strukturschwachen Teil Niederösterreichs) gefilmt. Er beginnt mit Bildern aus einer Stofffabrik (gegründet um 1850) und mein Foto-Herz schlägt gleich höher: so schöne alte Maschinen und Räume! Leider ist auch schnell klar, dass das nicht mehr lange weiter geht. Hier ist die Zeit stehen geblieben, die wenigen verbliebenen Mitarbeiter verrichten ohne Hektik ihre Arbeit, zu der auch Schnee schippen gehört und antworten wortkarg auf die Fragen des Regisseurs.
Ursprünglich war das Projekt auf maximal 4 Jahre angelegt, es wurden 10 daraus. Die Firma geht in Konkurs, die Menschen werden arbeitslos, der Firmeninhaber ist insolvent, sie erleiden Schicksalsschläge, gehen ihrem Alltag nach, manche finden wieder Arbeit, andere nicht, eine Frau zieht in unsäglichen Umständen ihre Enkel groß.

Die Art, wie Nikolaus Geyrhalter fragt, ist einfach und empathisch; wie bei der Langzeitdokumentation “Die Kinder von Golzow” http://www.kinder-von-golzow.de/index.php/zum-gegenstand/die-filme.html gibt das den Menschen Raum, nachzudenken, zu spüren und ggf. auch nicht zu antworten. Über die Jahre entwickelt sich ein Kontakt zwischen dem Beobachter und den Beobachteten, die Scheu vor der Kamera geht verloren, ein Protagonist, der anfangs fast gar nicht spricht, reflektiert über das Leben und beginnt Gedichte zu schreiben. Aus der Filmbeschreinung: “Was als Dokumentation eines aussterbenden Industriezweigs begann, entwickelt sich so über zehn Jahre hinweg zu einer epischen dokumentarischen Erzählung über Arbeit und Leben im postindustriellen Zeitalter. Es ist ein großer, ein ergreifender, den Menschen zugewandter Film.”

Stimmt! Im allerbesten Sinne ist das ein berührender Film.
Einige der Protagonisten sind aus dem verschneiten Waldviertel angereist. Bei den Q&As sind auch sie voller Anerkennung für den Regisseur.

Am Schluss gibt es ein Gedicht: