Zweitens: Cesare deve morire

Cäsar muss sterben

Diesmal gehe ich mit Ettore, meinem Italienischlehrer, ins Kino. Die Auswahl an italienischen Filmen auf der diesjährigen Berlinale ist leider nicht groß. Aber dieser interessiert mich, er läuft im Wettbewerb und wir sind bei der Uraufführung dabei. Vorher irren wir noch ein bisschen durchs Parkhaus, finden schließlich doch einen Ausgang relativ nahe am Berlinale Palast.  

Die Brüder Taviani sind anwesend, werden vorm Film insgesamt dreimal willkommen geheißen und beklatscht – und freuen sich sehr darüber. Dann geht es los, sehr laut, sehr imposant, sehr bunt, sehr dramatisch. Der Film beginnt mit dem Ende des Theaterstücks von Shakespaere, Applaus, das Licht geht aus, die Schauspieler treten ab, werden einzeln in ihre Zellen eingeschlossen, das Publikum verlässt den Hochsicherheitstrakt des römischen Gefängnisses Rebibbia.

Dann wird es schwarz-weiß, karges Interieur und eine der nächsten Einstellungen ist die des Castings. Jeder der jeweiligen Gefangenen soll seinen Namen, Geburtsdatum, den Namen seines Vaters und seinen Geburtsort sagen, erst verzweifelt/traurig, dann wütend. Das ist großartig! – Das sollen keine „echten“ Schauspieler sein? Ich kann das kaum glauben, bekomme Gänsehaut, das ist sehr dicht. 

Sechs Monate haben die Taviani-Brüder, laut Berlinale-Text, den Entstehungsprozess des Theaterstücks begleitet. Der Film ist als Dokumentarfilm angekündigt. Ich finde, das trifft es nicht. Es geht um Macht, Betrug, Mord, Lügen, Freundschaft, Verrat, die Darsteller erarbeiten sich ihre Rollen. Die Grenzen zwischen Rolle lernen, Realität des Gefängnisses, Shakespeares Text, Hintergrund und Schauspiel lösen sich völlig auf.  Die Vergangenheit der Darsteller spielt keine Rolle, anfangs wird lediglich das jeweilige Strafmaß und mit einem Stichwort das Vergehen eingeblendet (Raub, Mord, Mafiabeteiligung, Drogenhandel). Die Männer haben eine überwältigende Präsenz auch in ihrem Schauspiel. Die Kostüme sind minimalistisch, eigentlich müssten diese Männer in den an Gardinen erinnernden Kostümen albern wirken, aber auch das ist unwichtig. Der Film ist spannend, berührend, ohne Geschwurbel, sehr reduziert und ausdrucksstark. 

Ich bin sehr froh über die deutschen Untertitel. Die Darsteller sind ausdrücklich aufgefordert, ihre Dialekte zu sprechen, ich verstehe kaum was.

Am Ende werden die Tavianis wieder begrüßt und beklatscht. Die Produzentin sagt, dass ihr abgeraten wurde von einem Film ohne eine einzige Frau, nur in schwarz-weiß, im Gefängnis,… Der Darsteller des Brutus ist auch da, hat er seine Strafe abgesessen? – Ich recherchiere ein bisschen und entdecke Salvatore Striano auch in dem Film „Gomorrha“ – ???

Die ausgesprochen schlechte Kritik im rbb kann ich nicht nachvollziehen.

http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/cesare-deve-morire Wir gehen noch was trinken, reden englisch-italienisch-deutsch durcheinander. Ich genieße es, „nur“ einen Film zu sehen, ihn wirken zu lassen, darüber zu reden und einen guten Abend zu haben.

Und jetzt gehe ich ins Bett.